3.
März 2002
Am 22 Februar 2002 hat sich der von der madagassischen Bevölkerung
mit offensichtlich absoluter Mehrheit gewählte Oppositionskandidat
Marc RAVALOMANANA zum neuen Präsidenten Madagaskars ernennen lassen.
Frankreich und die USA haben diesen Schritt der Selbsternennung scharf
verurteilt. Viele der hier lebenden Franzosen haben daraufhin vor ihrer
Botschaft gegen die Entscheidung der französischen Regierung demonstriert.
Es
ist an der Zeit, dass sich auch die deutsche Gemeinde endlich zu Wort
meldet.
Marc
RAVALOMANANA hat diesen Schritt unternommen, um sein Land aus einer Misere
hinauszuführen, in die es nach 25 Jahren des Regimes unter Präsident
Didier RATSIRAKA versunken ist. Die Madagassen haben sich an den Wahlurnen
und nachdem die Regierungsinstitutionen versucht haben, das Ergebnis durch
massive Wahlfälschung zu boykottieren, durch eine ´´Abstimmung
mit den Füßen´´ eindeutig für den neuen Präsidentenausgesprochen.
Wir,
die wir hier leben und arbeiten, haben diesen Prozess verfolgen können.
Wir haben verfolgen können, wie die Opposition versucht hat durch
Eingaben beim Verfassungsgericht und die Forderung nach einem Vergleich
der Wahlprotokolle Transparenz und Gerechtigkeit herzustellen und wie
sie daran gehindert wurde. Wir haben das skandalöse Urteil des Verfassungsgerichts
zur Kenntnis genommen, das Ratsiraka trotz nachgewiesener massivster Verstöße
gegen das Wahlgesetz, nicht von der Wahl disqualifiziert hat. Wir haben
die Ausführungen der unabhängigen Wahlbeobachter über Wahlbetrug
zum Vorteil Ratsirakas - nicht zuletzt auch die Ausführungen des
durch Deutschland mitfinanzierten unabhängigen "Konsortiums"
- gehört und haben uns selbst eine Meinung bilden können.
Gerade
wir Deutschen empfinden für die aktuelle madagassische Volksbewegung
eine besondere Sympathie, da sie uns sehr stark an die deutsche Volksbewegung
in der DDR erinnert, die zum Fall des Regimes der DDR und zur Wiedervereinigung
geführt hat. Auch das Regime der DDR war "legal" nach den
eigenen Gesetzen, trotzdem war es ein Unrechtsregime. Die nach den Gesetzen
ihrer Regimes illegalen Volksbewegungen in der DDR und in Madagaskar sind
nach unseren demokratischen Maßstäben absolut legitim.
Die
Frage, die auch von unserer Regierung gestellt wird, ob die Selbsternennung
RAVALOMANANAS der richtige Schritt war, oder ob es vielleicht doch noch
eine andere Lösung gegeben hätte, ist angesichts der letzten
Entwicklungen müßig geworden.
Angesichts einer Situation in der faire Wahlen nachgewiesenermaßen
nicht möglich sind und in der das alte Regime durch jede Art illegaler
Maßnahmen versucht hat und versuchen wird seine Macht zu retten,
kann die Verweigerung der Bevölkerung und Marc RAVALOMANANAS sich
einem zweiten Wahlgang zu stellen nur auf Verständnis stoßen.
Das
im Juni 2000 in Cotonou unterzeichnete Abkommen zwischen der EU und den
AKP-Staaten sieht als eine der wichtigsten Neuerungen die "Einbeziehung
verantwortungsvoller Regierungsführung (good governance) als fundamentaler
Bestandteil in das Abkommen (Suspendierungsmöglichkeit bei schweren
Korruptionsfällen) neben Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Menschenrechten
als wesentliche Bestandteile" an und behält sich geeignete Maßnahmen
beim Verstoß gegen diese Prinzipien vor. (zitiert nach der Veröffentlichung
des Auswärtigen Amtes, Stand Februar 2002).
Wir hoffen, dass diese Erklärung auch im Falle des AKP-Staates Madagaskar
ihre Gültigkeit haben wird.
Jugoslawien
- Madagaskar: Zwei Maßstäbe?
Nach den Präsidentschaftswahlen im September 2000 proklamierte sich
der jugoslawische Oppositionskandidat Kostunica selbst zum Präsidenten,
obwohl der oberste Gerichtshof seine Wahl nicht anerkannt hatte.
Die Bundesrepublik Deutschland und die EU erkannten die Autoproklamation
zum Präsidenten trotz ihres Verstoßes gegen jugoslawisches
Recht als legitim an:
"Ich beglückwünsche Herrn Kostunica und die demokratische
Opposition in Serbien zu ihrem Sieg, der mit Ausnahme von Herrn Milosevic
von allen Seiten anerkannt wird. Trotz aller Versuche, die unternommen
wurden und noch unternommen werden, den Willen des Volkes zu mißachten,
haben die demokratischen Kräfte gesiegt. Das serbische Volk hat massiv
für den Umbruch, für die Demokratie, für einen friedlichen
Wandel (...) gestimmt. (...) Ich appelliere an Herrn Milosevic und seine
Umgebung, den erklärten Willen des serbischen Volkes zu achten."
(Erklärung des Präsidenten der Europäischen Kommission
zu den Wahlen in Jugoslawien vom 27.9.2000)
Die
Parallelen zwischen Madagaskar und Jugoslawien springen ins Auge.
Wir fordern deshalb den Deutschen Bundestag, die Bundesregierung und die
Europäische Union dazu auf, eine ähnlich lautende Erklärung
für die madagassische Demokratiebewegung und deren Führer Marc
Ravalomanana abzugeben und seine Regierung anzuerkennen.
Nach
unserem Demokratieverständnis gibt es keine andere Möglichkeit
als den neuen Präsidenten bei seinem Versuch in Madagaskar Rechtsstaatlichkeit,
Demokratie, soziale Gerechtigkeit und Respekt des Wählerwillens einzuführen
zu unterstützen und ihm für seinen Mut und seine Unbeirrbarkeit
unsere Hochachtung auszusprechen.
Wir
hoffen, dass nach wochenlangen friedlichen Demonstrationen seitens Hunderttausender
von Madagassen sich auch der Regierungswechsel friedlich vollziehen wird
und lehnen jede Form von Gewalt, gleichgültig von welcher Seite sie
ausgeht, strikt ab.
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