Madagaskar: Chronik eines Gewaltlosen

Am 16.12.01 fand der erste Wahlgang zur Wahl des Präsidenten Madagaskars statt. Die Wahlbeteiligung überstieg alle bisherigen Wahlen. Dieser erste Wahlgang war mit zahlreichen offensichtlichen Problemen vor dem Wahltag am Wahltag selbst und danach behaftet. Ich werde hier lediglich einige nennen:
Erstens die Nominierung durch den Präsidenten der Republik, der seine eigene Wiederwahl anstrebte, die Mitglieder des Hohen Verfassungsgerichts(HVG), das die Wahlergebnisse verkünden sollte
und zweitens die Veröffentlichung der Liste der Wahlbüros am 26.12.01, d.h. 10 Tage nach der Wahl.

Aufgrund der unterschiedlichen Ergebnisse, die einerseits vom Innenministerium und andererseits von Unterstützungskomitees der Kandidaten veröffentlicht wurden, hat das Kollegium der internationalen Wahlbeobachter einen Vergleich der Protokolle sowie eine Veröffentlichung der Ergebnisse von Wahlbüro zu Wahlbüro empfohlen, um die tatsächlichen Ergebnisse der Wahl herauszufinden. Am 08.01.02 wurde DIESER Antrag noch von den Vertretern der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (England, Frankreich, BRD), des japanischen Botschafters und der amerikanischen sowie schweizerischen Geschäftsträger unterstützt, welche die Behörden zu einer gemeinsamen Deutung der Ergebnisse auffordert.

Am 21.01.02 hat das HVG, das heimlich seinen Sitz außerhalb von Antananarivo verlegt hatte, unter anderem den Antrag auf Vergleich der Protokolle verworfen und seine Ergebnisse des ersten Wahlganges verkündet, auf dessen Grundlage ein zweiter Wahlgang zwischen den Kandidaten stattfinden sollte. Die Ablehnung des Vergleichs der Protokolle zeigt den Anfang der politischen Krise des Landes.

Das ganze Volk auf der Strasse

Seitdem demonstrieren täglich gewaltlos zwischen 500.000 und einer Millionen Bürger der Hauptstadt, um die wahren Ergebnisse der Wahl zu erfahren. Diese gewaltige Bewegung, die sich auf die grossen Provinzstädte ausgedehnt hat, unterstützt die wiederholte Forderung des Kandidaten Marc Ravalomanana, der immer wieder betont hatte , dass er sich selbstverständlich einem zweiten Wahlgang stellen würde, sobald ein Vergleich diese Notwendigkeit zeigen würde. Aufgrund er Tatsache, dass die Hohe Verfassungskammer von Madagaskar, unbeachtet der massiven Oppositions- und Demonstrationsbewegung, die Durchführung eines zweiten Wahlganges am 24.02.02 angeordnet hat, hat das Europäische Parlament anfang Februar einen Beschluss gefasst, nach dem der spanischen EU-Vorsitz eine offizielle Dreiergruppe delegieren soll, um vor Beginn der Wahlkampagne am 09.02.02 Gespräche mit allen wichtigen Personen aufzunehmen, wenn es zu einem zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen kommen sollte.

Amtseinführung von Marc Ravalomanana

Mit der Unterstüzung der Vereinten Nationen ist es dem Generalsekretär der Organisation für die Afrikanische Einheit(OAE) gelungen eine Vermittlung zwischen dem bisherigen Präsidenten und dem Kandidaten einerseits und andererseits Marc Ravalomanana herbeizuführen, mit dem Ziel, einen Ausschuß bestehend aus 5 Vertretern beider Parteien einzurichten. Nach 6 Tagen intensiver Diskussion hat sich jedoch gezeigt, dass es sinnlos ist mit den Vertretern Ratsirakas zu verhandeln, da diese alle Vorschläge Marc Ravalomananas ablehnten. M.Ravalomananas Vorschläge zielten darauf ab die tatsächlichen Ergebnisse des ersten Wahlganges zu erfahren und im Konsens alle technischen Vorraussetzungen für eine freie, regelmässige und transparente Wahl herzustellen. Am 22.02.02. wurde M.Ravalomanana von den Hohen Staatsbeamten meines Landes (darunter vom Generalsekretär des derzeitigen HVG und vier ehemaligen HVG- Mitgliedern) zum Präsidenten der Republik Madagaskar ausgerufen, nach dem sie nach einer sorgfältigen juristischen Prüfung sichergestellt hatten, dass das HVG die Wahrheit behindert hatte. Die Amtseinführung fand in Anwesenheit der vier Kirchenoberen, der Richtervereinigung, mehreren Generälen, verschiedenen Berufskammern und von mehr als 100.000 begeisterten Bürgern im Stadion von Mahamasina statt, während mehrere Tausend andere sich um dieses Stadion herum und auf den Höhen der Hochstadt versammelt hatten.

Ratsirakas erlässt eine illegale Verordnung

Noch am selben Tag hat Ratsiraka eine Verordnung über den nationalen Notstand erlassen, durch die er für drei Monate ermächtigt war das Land ohne jegliche Kontrolle zu regieren und sämtliche persöhnliche und öffentliche Freiheiten aufzuheben. Diese Verordnung kann um weitere 3 Monate verlängert werden. Die Baemten und Richter des Landes haben auf die absolute Unrechtmäßigkeit dieser Verordnung hingewiesen. Es wäre gut, wenn internationale Juristen ins Land kämen, um mit ihren madagassischen Kollegen die ständigen Rechtsbrüche festzustellen, die vom bisherigen Präsidenten und seiner Regierung begangen wurden ,um damit die nichtvorhandene Rechtsstaatlichkeit publik zu machen, die diesen Kandidaten am 16.02.01 weitgehend begünstigt hat.

Mut zum Pazifismus

Europäische Freunde lassen sie mich Ihnen sagen wie bewundernswert der Mut und der Pazifismus meiner Landsleute sind: zahlreiche Journalisten haben dies ebenfalls festgestellt. Allerdings muss ich Ihnen auch sagen, dass das madagassische Volk mit grossem Schmerz feststellen muss, dass die führenden Politiker der europäischen Länder es in seinem Kampf für die Wahrheit und Gerechtigkeit "fallen gelassen haben".

Das madagassische Volk will sich nicht mehr das Recht nehmen lassen, sich für seine Freiheit einzusetzen.

Andriamampionona Rakotomalala